Nach alledem ist es jedoch schön zu wissen, dass Tolstoi seinem Grundgesetz-Zitat einen weiteren Satz angefügt hat, der da lautet: „Es kommt nur darauf an, was man als sein Ego anerkennt." Schön, dass die Stiftung einen Kreis von Menschen zusammengebracht haben, deren Ego etwas anders tickt und die eben nicht müde werden, ihre Solidarität zu zeigen. Sei es die – gerade jetzt wichtige – Unterstützung der Ärmsten in Deutschland durch die Förderung der Tafeln oder die Belieferung ukrainischer Krankenhäuser mit Medikamenten. Dafür euch allen vielen Dank tg.
Freitag, 12. August 2022
Stand with Humanity
Leo Tolstoi hat einmal gesagt, man solle den Egoismus nicht verurteilen. Schließlich sei er das Grundgesetz des Lebens. Wenn man dieses Bild aufgreift, so wurde unsere Gesetzestreue in den letzten mehrfach hinterfragt. Zuerst verlangte man von uns Solidarität in der Corona-Pandemie, dann im Rahmen des Afghanistan-Abzugs und aktuell beim Ukraine-Krieg. All diese Krisen haben zunächst einen wunderbaren und für viele vermutlich unerwarteten Zusammenhalt in der Bevölkerung aufgezeigt. Gleichzeitig aber hat sich jedes Mal gezeigt, dass Tolstois Worte nicht ganz falsch sind. Wurde zu Beginn noch für die Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegeheimen geklatscht, so bildete sich im Laufe der Pandemie ein tiefer Riss in unserer Gesellschaft, der in wütenden Protesten und einem Sturm auf dem Bundestag endete. Auch viele von den Einschränkungen direkt Betroffene verloren zunehmend ihre wirtschaftliche Grundlage und gleichermaßen ihre Solidarität für einen gemeinsamen Kampf gegen Corona. Vor fast genau einem Jahr zogen sich dann die westlichen Staaten aus Afghanistan zurück und hinterließen nicht nur verstörende Bilder. Sie hinterließen auch tausende sogenannte Ortskräfte, die bis heute im Land festsitzen. Anfängliche Empörung über den Abzug und die Solidarität mit den Geflüchteten endeten jedoch auch diesmal schnell. Der Bundestagswahlkampf stand schließlich vor der Tür. Heute ist es 176 Tage her, dass Putin die Ukraine angegriffen hat. Erneut ging ein heftiger Ruck der Solidarität durch Deutschland, das in einem gelb-blauen Fahnenmeer versank. Bemerkenswerte Anstrengungen wurden unternommen, um den Geflüchteten zu helfen und die Verbliebenen zu unterstützen. Doch mittlerweile sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs in Deutschland angekommen. Und so zeigt die Tagesschau mittlerweile Nachrichten zu den steigenden Gas- und Stromkosten noch vor den neuesten Meldungen aus der Ukraine. All das zeigt, dass Solidarität oftmals endet, wenn die Auswirkungen einen selbst betreffen. So sind die Folgen der Corona-Einschränkungen für Gastronomen, die politische Neuausrichtung für Steuerzahler und die steigenden Strom- bzw. Gaspreise für jeden Verbraucher irgendwann wichtiger als Solidarität für Andere. Das ist in vielen Fällen nur allzu menschlich und wird in der Psychologie als „Mitgefühlsmüdigkeit" bezeichnet.